Frühling

Die Birke im Lauf der Jahreszeiten: Frühling

Birke in offener Landschaft © Marcel Gluschak
Luftig und licht – die Birke im Frühling © Marcel Gluschak

Wir begleiten eine Baumart im Lauf der Jahreszeiten und schauen uns an, was im Frühling, Sommer, Herbst und Winter im Leben eines Baumes passiert. In dieser Reihe betrachten wir die Birke – eine mutige Pionierin. Sie wächst als erste dort, wo neue Wälder entstehen. Die Birke liebt das Licht und ist mit ihrer weißen Rinde selbst eine lichte Erscheinung. So zäh und aufopferungsvoll sich die Birke im Überlebenskampf zeigt, so zart und lieblich wirkt sie auch – wie ein Traum, der sich in einen Baum verwandelt hat.

Mit der Birke beginnt der Wald

Ein Flächenbrand, eine Lawine, ein verheerender Sturm oder ein Kahlschlag – es gibt viele Gründe, weshalb ein Wald plötzlich verschwinden kann. Übrig bleiben karge, abweisende Landstriche. Doch auch dort entstehen früher oder später wieder Wälder – wenn man sie lässt. Die ersten Bäumchen, die das tote Land erobern, sind sogenannte Pionierbaumarten. Hierzu gehören verschiedene Pappelarten wie die Silberpappel und die Espe, die Saalweide und vor allem: die Birke.

Kaum haben sich die Erstbesiedler eingestellt, entbrennt zwischen ihnen ein harter Wettkampf ums Licht. Während zum Beispiel Buchen oder Eiben den Schatten lieben, kann es für die Birke nicht sonnig genug sein. Nur deshalb können Birken ausgetrocknete Kahlschlagflächen, Sandböden, Schotterhalden und karges Gebirge bevölkern. Sie haben ihr Leben völlig darauf ausgerichtet, dort zu wachsen, wo kein anderer Baum steht.

Hängebirke mit Blütenkätzchen © Marcel Gluschak
Anders als andere Bäume, die in den Himmel wachsen, scheint die Hängebirke uns aus den Wolken entgegen zu wachsen. © Marcel Gluschak

In Mitteleuropa gehörten die Birken neben den Kiefern zu den ersten, die nach der letzten Eiszeit die baumlosen Flächen wieder besiedelten. Dort, wo sie Wurzeln schlugen, wuchs schließlich wieder Wald. Denn auch, wenn die Birke die Nähe zu anderen Bäumen meidet – früher oder später holen die anderen Baumarten die Birke ein. Buchen zum Beispiel verbreiten sich weitaus langsamer als die Birke, deren Pollen hunderte von Kilometern weit fliegen können. Doch wenn dann doch einmal eine Buche unter einer Birke keimt, ist das Ende der Birke besiegelt. Für den Buchensprössling ist es kein Problem, im lichten Schatten der Birkenkronen heranzuwachsen und die Birke schließlich an Größe zu übertreffen. Diese jedoch wird im Schatten der Buche zwangsläufig eingehen. Letztlich trägt ihr Totholz weiter zur Bodenbildung des jungen Waldes bei, der daraufhin immer schattiger und mächtiger wird.

Birken am Waldran © Marcel Gluschak
Das erste, zarte Grün – Birken am Waldrand, wo sie noch genügend Sonne abbekommen. © Marcel Gluschak

Eichen wiederum, durch deren Kronen etwas mehr Licht dringen kann, lassen der Birke eine Chance. So entstehen mitunter ökologisch wertvolle Birken-Eichen-Mischwälder. Insgesamt wurden jedoch die Birken nach der Eiszeit von ihrer Konkurrenz immer weiter auf nährstoffarme, saure bzw. trockene Standorte verdrängt. Daher haben sich unsere Birken auf spezielle Standortbedingungen eingelassen, die für die meisten Baumarten eher ungemütlich sind. Weltweit gibt es bis zu 100 Birkenarten. Bei uns ist neben der Moorbirke (Betula pubescens) vor allem die Hängebirke (Betula pendula) heimisch. Sie gehören zur Familie der Birkengewächse, zu denen übrigens auch Erlen und Hainbuchen zählen. Bis zum nächsten Frühling werden wir das Leben einer Hängebirke begleiten und beobachten, was sich im Leben eines solchen Baums alles tut.

Die Birke weiß sich durchaus zu wehren

Schauen wir uns im frühen Frühjahr die Zweige der Hängebirke an, fallen uns die schuppigen Knospen der männlichen Blüten auf. Sie fühlen sich noch sehr hart und ziemlich rau an und hängen an den Enden der Zweige, die von oben herabhängen. Im Wind pendeln diese Zweige hin und her. Jede andere Pflanze, die neben der Birke wachsen will, wird auf diese Weise klein gehalten. Der Name beschreibt es bereits: Die pendelnden Knospen von Betula pendula schleifen und zerkratzen das junge Blattwerk derer, die ebenfalls nach oben streben. Auf diese Weise kann sich die Birke zumindest zeitweise den alleinigen Platz an der Sonne sichern.

Frühe Blütenknospen der Hängebirke © Marcel Gluschak
Die hin und her schwingenden, rauen Blütenknospen halten Lichtkonkurrenten auf Abstand. © Marcel Gluschak

Die Birke muss sich aber auch gegen Tiere zur Wehr setzen. Ihr bevorzugter Lebensraum, die sonnige Freifläche, ist auch die Heimat vieler Pflanzenfresser, die das Gras, die Kräuter und die jungen Triebe von Büschen und Bäumchen verbeißen. Typische Gehölze dieser Landschaft, wie zum Beispiel der Schwarzdorn, wehren sich mit Dornen gegen die Fressattacken. Die Birke hat eine andere Strategie.

Weiße Birkenrinde © Marcel Gluschak
Die weiße Rinde schützt die Birke vor Tierverbiss und Sonnenstress. © Marcel Gluschak

Zum einen ist ihre Borke sehr rau, da die Birke sehr schnell wächst und die Rinde daher an vielen Stellen aufreißt. An diesen scharfkantigen Wülsten beißen sich Tiere die Zähne aus. Darüber hinaus enthält die Rinde Betulin – ein bitteres Öl, das Reh und Co. überhaupt nicht schmeckt. Das eingelagerte Betulin ist auch dafür verantwortlich, dass die Rinde so leuchtend weiß erscheint. Und somit bewirkt es noch einen weiteren Schutz. Was der sonnenliebenden Birke nämlich für ihr Laub allzu recht ist, kann für ihre Rinde ein Problem werden: Zu viel Sonnenlicht, vor allem im Winter, kann Rindenbrand erzeugen. Dank der weißen Rinde wird dem jedoch vorgebeugt und das Sonnenlicht optimal reflektiert.

Dieser Lichtbaum blüht besonders früh

Im Frühjahr strömen pro Tag etwa 70 Liter Flüssigkeit aus den Wurzeln in die Krone und treiben die Blätter und Blüten aus ihrer Winterruhe. Jedes Jahr ist die Birke eine der ersten, die ihre zarten, hellgrünen Blätter entrollt. Dies geschieht in der Regel im März bis April. Damit ist die Birke der klassische Frühlingsbaum. Fast zeitgleich beginnt sie zu blühen.

Die Birke ist eingeschlechtlich und einhäusig. Das heißt: Männliche und weibliche Blüten stehen am selben Baum. Die männlichen Kätzchen sind bis zu 10 cm lang und hängen an den Enden älterer Triebe, die weiblichen Kätzchen sind kürzer und befinden sich an der Spitze junger Kurztriebe. Jeweils bis zu 5 Millionen Pollen kann eine männliche Blüte auf die Reise schicken!

Männliche Birken-Blüten © Marcel Gluschak
Männliche Birkenblüten und frisch austreibende Birkenblätter. © Marcel Gluschak

Die Germanen sammelten die jungen Blätter der Birke und tranken sie als Tee. Wer das mal ausprobieren mag, muss sich nicht sorgen, der Birke damit zu schaden. Wenn man die Blätter sehr früh erntet, wachsen sie tatsächlich nochmal nach. Außerdem benötigt man ja nur eine Hand voll.

Außerdem zapften die Germanen das im Frühjahr aufsteigende Baumwasser an. Im Birkensaft sind wertvolle Inhaltstoffe enthalten, u.a. Zucker, Pflanzensäuren, Salze, Eiweiße, Mineralstoffe wie Kalium, Natrium, und Magnesium sowie Spurenelemente wie Selen, Chrom, Eisen, Kupfer und Bor.

Birkenblätter im Wind © Marcel Gluschak
Männliche (lang und hängend) und weibliche (aufrecht stehend) Blüten sowie frisch ausgetriebene Blätter © Marcel Gluschak

Gesammelt wurde das Birkenwasser in Gefäßen aus Birkenrinde. Solche Behälter nutzten sogar schon die Steinzeitmenschen. Zwei Gefäße aus Birkenrinde wurden beim Ötzi gefunden. In einem transportiere er offenbar Glut, die in schwer brennbare Ahornblätter eingepackt war, und in dem anderen war Proviant eingepackt. Das in der Rinde enthaltene Betulin hat eine antiseptische Wirkung und eignet sich daher hervorragend zur Aufbewahrung von Lebensmitteln. Noch heute werden in Russland und Skandinavien solche Behälter angefertigt.

Birke © Marcel Gluschak
Die Birke – ein Lichtbaum © Marcel Gluschak

Im Sommer werden wir die Birke wieder besuchen. Dann werden wir unter anderem herausfinden, welche Tiere sich hier gerne aufhalten. Und wir werden ein weiteres spannendes Geheimnis ihrer weißen Rinde lüften: In Extremsituationen kann sie einem sogar das Leben retten…: Die Birke im Sommer.

Ich arbeite beim WWF Deutschland und bin dort zuständig für das Jugendprogramm. Nebenberuflich absolviere ich eine Ausbildung zum Naturerlebnispädagogen bei CreNatur sowie zum Wildnispädagogen bei der Wildnisschule Hoher Fläming. Ich liebe es, in der Natur unterwegs zu sein, ob zu Fuß, im Kanu oder mit dem Fahrrad. Es vergehen schnell Stunden, in denen ich mich ausdauernd in der Naturfotografie ausprobiere oder einfach den Moment genieße, beobachtender Teil der Natur zu sein. Achtsamkeit, Respekt für die Natur und Begeisterung für ihre Schönheit liegen mir sehr am Herzen.

4 Kommentare

  • Cristina Camarata

    Ein wundervoller, informativer Beitrag über eine sehr anmutig schöne Baumart, die mit ihrer weißen Rinde und den lichten Blättchen vor allen anderen Bäumen hervorsticht. Dank der zahlreichen interessanten Details weiß ich jetzt viel mehr über die Birke, die wirklich eine mutige Pionierin ist, und die die Aufbruchstimmung, den Neubeginn im Frühling so treffend verkörpert. Dass es die Birken schon so lange auf der Erde gibt und sie mit den Kiefern nach der letzten Eiszeit die ersten Bäume waren, die erneut wuchsen und sich an karge und unwirtliche Lebensräume anpassen konnten, erstaunt mich. Die Birke sieht so zart und leicht aus, wie sie hier so bildhaft und poetisch beschrieben wird. Schließlich hat sie auch schon immer Maler und Dichter inspiriert. Ich denke da z. B. an die Bilder von Gustav Klimt, der die Birkenwälder im Jugendstil gemalt hat. Dass sie aber auch “Ellbogen” hat und sich gut zu verteidigen / zu behaupten weiß, wird hier sehr gut geschildert. Es ist überhaupt interessant, die verschiedenen “Persönlichkeiten” von Bäumen zu studieren! Eindrucksvoll finde ich auch die ernorme Anzahl an Pollen pro Blüte und den Wassertransport von 70 l ! Wie schafft die Birke das als Flachwurzlerin auf kargen, sandigen Böden? Die Fotos sind wieder sehr gelungen und anschaulich. Wo steht denn wohl diese imposante Hängebirke?

    Nach der Lektüre dieses Beitrages werde ich einmal den Birkensaft aus dem Reformhaus probieren, als Frühjahrskur; und bin schon jetzt gespannt, was es über die Birke im Sommer, Herbst und Winter zu berichten gibt. 😃

  • Stephanie Pallentin

    Hallo Herr Gluschak,
    ich habe eine etwas ungewöhnliche Frage zum Thema Birke. Auf einem ausgedehnten Spaziergang durch den Winterwald ist mir heute eine Besonderheit unter den Birken aufgefallen. Alle auf dem Boden liegenden Blätter der Birken hatten eine dunkelgraue bis schwarze Färbung. Können sie mir verraten woran das liegt?
    Liebe Grüße Stephanie

  • Renate Katharina

    Wow, wie informativ. Habe viel neues zur Birke gelernt.
    Mein Schwerpunkt als Kräuterfachfrau liegt bei Essbaren und Heilsames.
    Das weiße Pulver ( Betulin) der Birkenrinde ist nicht nur entzündungshemmend, sondern auch juckreizstillend.
    Als Fertigprodukt z.B. bei Neurodermitis unter den Namen Imlan zu beziehen.
    Als Creme zur äußeren Anwendung. Das Betulin liefert auch einen Konservierungsstoff, so dass die Salbe ohne Konservierungsstoffe auskommt.

    LG aus dem Odenwald ( Odins Wald)

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