Frühling

Nachwuchs bei Familie Buntspecht

Buntspecht mit Nachwuchs © Marcel Gluschak
Bruthöhlen von Spechten sind im Frühling aufgrund des lauten Gezeters der Jungen leicht zu entdecken. © Marcel Gluschak

Der Buntspecht hat in diesen Tagen sehr viel zu tun. Wer jetzt durch die Wälder streift, hat gute Chancen, Spechtbruten zu entdecken. Die lauthals bettelnden Spechtküken sind über zig Meter zu hören. Außerdem haben sich die fleißigen Baumeister in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt. Sie profitieren von den Dürreschäden im Wald. In den toten Bäumen haben sich viele Insekten eingenistet. Doch wie schafft es ein Specht eigentlich, Höhlen in Bäume zu hacken, ohne dabei eine Gehirnerschütterung zu bekommen?

Der Buntspecht: Kletterkünstler und eifriger Trommler

Spechte sind optimal an den Lebensraum Wald angepasste Vögel. Sie können geschickt Baumstämme hochklettern. Ihre kurzen Füße besitzen paarig gestellte Zehen mit kräftigen Krallen. Für den festen Halt sind zwei nach vorne und zwei nach hinten gerichtet. Eine davon ist eine Wendezehe, die – je nachdem, ob der der Specht hinauf- oder hinunterklettern will, wie ein Schweizer Taschenmesser umgeklappt werden kann.

Seine Schwanzfedern sind besonders steif. Der Specht kann sie keilförmig bündeln und sich somit wie auf einem dritten Bein am Baumstamm abstützen. Wenn er Insekten aus dem Holz pickt, fährt er seine extrem lange Zunge aus, die mit Widerhaken besetzt ist.

Buntspecht © Marcel Gluschak
Der Buntspecht ernährt sich hauptsächlich von Insekten und ihren Larven, mag aber auch Erdbeeren. © Marcel Gluschak

Manchmal, bei strahlendem Sonnenschein, fangen die Spechte schon im Dezember an zu trommeln. Vielleicht hast du schon bemerkt, dass sie Holz unterschiedlich bearbeiten. Wenn Spechte mit einigen wenigen Hieben auf das Holz hacken, sind sie auf Nahrungssuche. Der bekannte Trommelwirbel ist hingegen eine Art der Kommunikation. Anders als andere Vögel nutzt der Specht nicht den Gesang, sondern das Trommeln, um sein Territorium zu markieren und Interessierte für eine Partnerschaft anzulocken. Dabei trommeln sowohl weibliche als auch männliche Buntspechte. Manchmal kann man einen Buntspecht dabei beobachten, wie er verschiedene Äste anfliegt und ihren Klang testet. Der Resonanzkörper muss stimmen und einen satten, schnarrenden Ton erzeugen.

Die Trommelwirbel der verschiedenen Spechtarten sind sehr unterschiedlich. Rhythmus, Länge, Schlagzahl der Wirbel sowie der zeitliche Abstand zwischen den Schlägen sind charakteristisch für die einzelnen Spechtarten. Die knurrenden, oft unterbrochenen, sehr langen Trommelwirbel des Kleinspechts klingen zum Beispiel deutlich anders als die kurzen Wirbel des Buntspechts.

Macht das nicht Kopfschmerzen?

Es ist ein Wunder der Natur, dass ein Specht Höhlen ins Holz hämmern kann, ohne dass dabei sein Gehirn Schaden nimmt. Bis zu 12.000 Mal am Tag schlägt ein Specht seinen Schnabel auf Holz. Er kann bis zu 22 Schläge pro Sekunde ausführen, und bei jedem Schlag prallt der Schnabel mit 25 km/h gegen den Stamm. Eigentlich müssten die Vögel nach kürzester Zeit benommen von den Bäumen fallen. Doch eine ganze Reihe cleverer Eigenschaften und Taktiken macht die Spechte zu wahren Trommelmeistern.

Eine gelenkartige Verbindung am Ende des sehr harten Schnabels fängt einen Großteil der Aufprallenergie ab – praktisch wie ein Stoßdämpfer. Schnabel und Schädel sind federnd verbunden, sodass bei jedem Schlag die Stoßenergie sogar in Drehenergie umgewandelt wird. Außerdem befindet sich zwischen Schnabel und Feder das absolut ungewöhnliche und in der Vogelwelt einmalige Zungenbein des Spechts. Hier wird die sehr lange Zunge ‘geparkt’, solange sie nicht verwendet wird. Diese Röhre ist sehr elastisch und windet sich um den gesamten Schädel. Auch sie federt die Aufprallenergie ab, quasi wie ein Sicherheitsgurt für das Gehirn.

Das Gehirn ist außerdem von besonders wenig Gehirnflüssigkeit umgeben. Es sitzt fest im stabilen Schädel und wird deshalb nicht bei jedem Aufprall von innen gegen die Schädeldecke geschleudert. Extrem starke Muskeln rund um den Schädel dienen als zusätzliche Dämpfer.

In diesem Video ist gut erkennbar, wie sich der Buntspecht mit seinen Schwanzfedern abstützt, während er eine Vogelkirsche bearbeitet.

Des Weiteren teilen sich Spechtpaare die schwere Arbeit. Männchen und Weibchen wechseln sich ab. Sie hämmern auch nicht den ganzen Tag hindurch, sondern teilen sich die schwere Arbeit in kleinere Stundenpakete auf. Und nicht zuletzt haben Spechte auch einen Sinn dafür, sich geeignetes Holz auszusuchen. Sie würden nicht mit Gewalt in einen gesunden, durch und durch harten Stamm ein komplettes Loch hineinzimmern wollen.

Entweder sucht sich das Spechtpaar einen Stamm, der schon von innen fault. Dann müssen sie nur von außen das gesunde Holz durcharbeiten. Die morschen Schichten lassen sich anschließend viel leichter bearbeiten. Oder aber der Specht hämmert eine Wunde in den Baumstamm – und fliegt dann davon, um für einige Monate Pilze die Arbeit machen zu lassen. Ihnen steht nun Tür und Tor offen, um das wunde Holz zu befallen und zu zersetzen. Was für den gesunden Baum ein schwerer Schicksalsschlag ist, erleichtert dem Specht die Arbeit. Er kann im nächsten Jahr zurückkehren und kann das poröse Holz leicht herausarbeiten.

Ein Buntspecht muss für seine Familie alles geben

Es gibt keine andere Vogelgruppe, die so wenig entwickelte Junge hat wie die Spechte. Neugeborene Spechtkinder haben keine einzige Daune am Körper, ihre Augen und Ohren sind geschlossen. Die Küken hocken zusammengekauert am Höhlenboden, dabei legt eines seinen Kopf auf das andere. Mit dieser “Wärmepyramide” gelingt es ihnen, unnötige Energieverluste zu vermeiden.

Die Jungvögel werden etwa drei bis vier Wochen lang gefüttert, bis sie ausfliegen. In dieser Zeit müssen die Eltern eine intensive Brutfürsorge betreiben. Die Kleinen werden von morgens bis abends gewärmt, zumindest in den ersten fünf bis sechs Lebenstagen. Unermüdlich bringen sie Insektenlarven heran, die sie aus den umliegenden Bäumen sammeln.

In diesem schönen Video kann man die Kontaktrufe des Buntspechts und die Bettelrufe seiner Jungen gut hören.

Diese Hauptmahlzeit hacken Spechte mit ihrem Meißelschnabel aus morschen Holzstellen heraus und sammeln sie mit ihrer langen, klebrigen Zunge ein. Allerdings sind Buntspechte viel weniger Hackspechte als Schwarzspechte und Dreizehenspechte. Und vor allem im Sommer suchen sie ihre Nahrung – Raupen, Käfer und Ameisen – viel lieber von der Oberfläche. Neben den Insektenlarven verzehren Buntspechte gerne auch Früchte, vor allem Kirschen oder Erdbeeren.

Seinen Durst löscht der “Schluckspecht” ebenfalls mit ein paar gezielten Hieben ins Holz. Im Frühjahr, wenn in den Baumrinden der Saft steigt, schlagen die Spechte die Saftbahnen an, um den dort herausquillenden Baumsaft zu trinken. Besonders bei Hainbuchen, Eschen, Ahorn und Birken lässt sich der nährstoffreiche Saft gut anzapfen. Weil die Spechte die Löcher ringförmig einschlagen, nennt man dies auch “Ringeln”. Der Specht sitzt am Stamm, schlägt zuerst zu einer Seite, löst die Rinde oder die Borke und schlägt dann das Loch. Nach einer kleinen Weile rückt er weiter.

Wie der Buntspecht das Leben im Wald bereichert.

Während die Spechtfamilie in ihrer Höhle lebt, arbeitet der zersetzende Pilz im Inneren des Baumes freilich weiter. Er breitet sich weiter im Stamm aus und verwandelt das Holz in feuchten Mulm, in dem es sich nicht gut brüten lässt. Deshalb putzen Spechte ihre Höhle immer wieder aus, wodurch der Hohlraum zwangsläufig größer und größer wird. Irgendwann ist der Höhlenboden so tief, dass die Jungen es nicht mehr zum Loch schaffen.

Buntspecht füttert Nachwuchs © Marcel Gluschak
Buntspechtjungen sind leicht an ihrem roten Scheitel zu erkennen. © Marcel Gluschak

Spätestens dann sucht sich die Spechtfamilie einen neuen Stamm. Auf diese Weise aber haben sie einer ganzen Reihe weiterer Tiere, die keinen harten Meißelschnabel haben, eine Bleibe ermöglicht. Denn Baumhöhlen sind auch bei vielen anderen Tieren begehrt: Sie bieten besten Schutz vor Wind und Wetter, und die Holzfasern leiten Geräusche wie eine Alarmanlage weiter. Sobald die Krallen von Mardern oder Eichhörnchen über den Stamm kratzen, bleibt den Bewohnern genug Zeit, im Schluploch zu verschwinden oder schnell wegzufliegen.

Zuerst kommt der Kleiber, der sein Nest gerne in alten Spechthöhlen baut. Doch das Einflugloch ist für ihn zu groß. Deshalb kleidet er den Rand kunstvoll mit Lehm aus, um das Loch wieder zu verkleinern und ungeliebte Gäste auf Abstand zu halten. Über Jahre fault der Baum jedoch weiter vor sich hin. Mit zunehmender Vermoderung zerbröselt irgendwann auch das Holz zwischen untereinander angelegten Bruthöhlen, den sogenannten Spechtflöten, und es entstehen große Hohlräume.

Auf solche geräumigen Höhlen haben der Waldkauz, die Hohltaube und die Dohle nur gewartet. Auch Fledermäuse wie die Bechsteinfledermaus finden sich hier ein. Mit der Zeit wird der ausfaulende Stamm zur Heimat immer komplexerer Lebensgemeinschaften. So siedeln sich zum Beispiel Holzameisen an, die das modrige Holz zernagen und daraus kartonartige Nester bauen. Die Wände durchtränken sie mit Honigtau, den sie von Blattläusen abzapfen. Auf diesem Substrat gedeihen Pilze, die mit ihrem Geflecht das Nest stabilisieren. Die Ameisen rufen wiederum den Schwarzspecht auf den Plan, der gerne solche Kolonien ausbeutet. Hierfür schlägt er noch tiefere Höhlen ins Splintholz und höhlt den Baum weiter aus.

Auch der Siebenschläfer richtet sein Nest am liebsten in alten Baumhöhlen von Bunt- und Schwarzspechten ein. Hier halten sie am liebsten ihren Winterschlaf, der von frühestens September bis spätestens Juni dauern kann. All diese Nachmieter sorgen dafür, dass innerhalb des morschen Baums eine einzigartige Mikrowelt entsteht. Nur unter diesen Bedingungen können sich besonders spezialisierte Käferarten entwickeln, sogenannte Urwaldreliktarten. Durch die über Jahre andauernde Entwicklungszeit der Larve brauchen sie uralte Bäume, die langsam absterben, und in deren Innerem permanent Tierkot und Holzkrümel, Pilzsporen und zermahlenene Federn herabrieseln. Dadurch erhält der Mulm laufend Nährstoffnachschub, von dem sich beispielsweise der Bluthals-Schnellkäfer, der Knochenglanz-Käfer oder der Eremit ernähren. Diese erstaunlichen Tiere hätten keine Chance, wenn nicht der Specht immer wieder mit ein paar Schnabelhieben den Weg dafür bereiten würde.

Ich arbeite beim WWF Deutschland und bin dort zuständig für das Jugendprogramm. Nebenberuflich absolviere ich eine Ausbildung zum Naturerlebnispädagogen bei CreNatur sowie zum Wildnispädagogen bei der Wildnisschule Hoher Fläming. Ich liebe es, in der Natur unterwegs zu sein, ob zu Fuß, im Kanu oder mit dem Fahrrad. Es vergehen schnell Stunden, in denen ich mich ausdauernd in der Naturfotografie ausprobiere oder einfach den Moment genieße, beobachtender Teil der Natur zu sein. Achtsamkeit, Respekt für die Natur und Begeisterung für ihre Schönheit liegen mir sehr am Herzen.

1 Kommentar

  • Cristina Camarata

    Das ist wieder so ein spannender und lehrreicher Beitrag, so lebendig geschrieben, dass ich ihn “wie im Flug” gelesen habe – Notizen machend…, dass er auf einmal unerwartet schnell zu Ende war, und ich dachte: “Wie schade”… Ich hätte gerne noch weitergelesen, aber es ist alles drin, was wichtig und wissenswert ist! Was für tolle und tüchtige Tiere die Spechte sind. Ich habe sie im Frühjahr auch gehört und gesehen, aber sie haben sich gut versteckt, waren nicht willig, sich von mir fotografieren zu lassen. Tolle Fotos! Meinen Respekt💚👏👏👏 Und alles sehr schön und verständlich erklärt. Ich finde es schön, dass Männchen und Weibchen sich abwechseln beim Trommeln, und dass sie so musikalisch sind, jede Art ihren speziellen Trommelwirbel hat, und sich die Spechte auch bewusst Stämme mit einem guten Resonanzkörper aussuchen. 12.000 mal am Tag! Und 22 beats per second! 😮 Das ist mal eine Ansage 😅… Ich muss Carl Palmer (weltbester Drummer) mal fragen, ob er das auch schafft.😄
    Die Schädel-Schnabel-Konstruktion, die das ermöglicht, ist ja wirklich ein Wunder der Natur, eine Meisterleistung der Evolution. Die “federnde” Verbindung von Schnabel und Schädel hat mich an meine Fachkunde-Stunden erinnert. Die Zähne sind ja auch im Parodontium, jeder federnd in seinem Zahnfach aufgehängt, um ein zu starkes Eindrücken der Wurzel in den Knochen zu verhindern, weil beim Kauen ebenfalls gewaltige Kräfte entstehen.
    Tröstlich finde ich, dass die Spechte von den Waldschäden durch die Trockenheit und den Schädlingsbefall profitieren, ihre Population stärken können, und wiederum die Schädlinge durch Verfüttern an ihre Jungen beseitigen können! Dann ist es doch für etwas gut. Und das trifft auch für die von Pilzen morsch gewordenen Bäume zu. Dass die Spechtjungen und anschließend viele verschiedene Nachmieter die alten, kranken Bäume bewohnen, ist wirklich “nachhaltig”, und dass dadurch in jedem morschen Baum – je nach den verschiedenen Vormietern – einzigartige Mikrowelten entwickeln, wo sich wieder Urwaltreliktarten von Käfern zeigen, ist eine sehr gute Nachricht! Mit dieser positiven Aussicht gehe ich jetzt wieder noch lieber in den Wald und bin nicht mehr so “niedergeschlagen”, wenn ich einen – einen??? kaputten Baum sehe, weil ich gelernt habe, dass auch sie noch einen wertvollen, wichtigen Beitrag für das Ökosystem leisten, und auch von den umstehenden Artgenossen noch mit unterstützt und versorgt werden. 💚

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