Sommer

Die Birke im Lauf der Jahreszeiten: Sommer

Die Birke im Sommer © Marcel Gluschak
Kräftig grünes Laub, aber auch mit ein paar kargen Zweigen – Die Birke im Sommer © Marcel Gluschak

Nachdem wir die Birke im Frühjahr kennengelernt und ein paar ihrer Geheimnisse gelüftet haben, besuchen wir sie nun im Sommer. Wir wissen bereits, dass sie eine wehrhafte Pionierbaumart ist, die im Kampf um den besten Sonnenplatz vor allem auf Schnelligkeit setzt. Wir haben erfahren, warum Birkenrinde weiß ist, und dass unsere Vorfahren Lebensmittel darin eingepackt haben. Doch diese Rinde kann uns sogar das Leben retten. Und es gibt ein Tier, dass sich dank der Birkenrinde praktisch unsichtbar machen kann…

Birke im Sonnenlicht © Marcel Gluschak
Verkörpert wie keine andere Baumart das Licht – Birke in der Sommersonne © Marcel Gluschak

Im Sommer sind aus den Birkenblüten Früchte hervorgegangen. Ein einziges Kätzchen bringt bis zu 450 Früchte hervor. Es sind kleine, unauffällige Flügelnüsschen. Sie reifen etwa zwischen Juli und September. Die entweder aufrecht stehenden oder locker hängenden Fruchtstände sind mit verdickten, leicht ledrigen Schuppen versehen. Im Herbst und Winter werden sie die zwei bis drei Millimeter kleinen, dünnhäutigen Nussfrüchte – auch “Samara” genannt – freilassen.

Die Birke nutzt den Wind und spielt mit dem Licht

Typisch für die eilige Birke: Auch bei ihrer Verbreitung wählt sie das höchstmögliche Tempo. So wie der Birkenpollen im Frühjahr können auch die leichten, geflügelten Nüsschen mit dem Wind große Strecken zurücklegen. Und die in ihnen liegenden Samen können schon nach drei Wochen keimen!

Frucht der Hängebirke © Marcel Gluschak
Aus der Frucht der Hängebirke fallen in der kalten Jahreszeit leichte, geflügelte Nussfrüchte. © Marcel Gluschak
Blütenknospen der Hängebirke © Marcel Gluschak
Im Spätsommer bilden sich die nächsten zarten Blütenknospen – sie werden am Zweig überwintern. © Marcel Gluschak

Das Laub der Birke ist nun sattgrün und glänzt im Sonnenschein. Die Birkenblätter scheinen das Licht zu reflektieren. Dies ist tatsächlich keine optische Täuschung. Auf den Adern befinden sich kleine Drüsenschuppen, die ein flüssiges Sekret auf der Ober- und Unterseite absondern. Dieses trockenet dann wie ein natürlicher Klarlack ab und erzeugt spiegelnde Lichteffekte. Deshalb sollte man in der warmen Jahreszeit sein Auto nicht unter einer Birke parken – das harzartige Sekret ist kaum wasserlöslich.

Birkenblätter im Sommer © Marcel Gluschak
Birkenblätter im Sommer © Marcel Gluschak

Hier und da sehen wir aber auch kahle Zweige. Verantwortlich sind unter anderem kleine metallisch glänzende Käfer, die im Frühjahr ganze Zweige nackt fressen können. Dieses etwas struppige Bild bedeutet nicht, dass es dem Baum schlecht geht. Zäh wie sie ist, kann die Birke den Verlust verkraften.

Welche Tiere treffen wir an der Birke?

Der Silberne Grünrüssler (Phyllobius argentatus), auch Goldgrüner Blattnager genannt, ist weit verbreitet. Mit großem Appetit ernähren sich die niedlich anzuschauenden Insekten von den Blättern der Laubbäume. Die Larven, die sehr an Fliegenmaden erinnern, leben in und von den Stängeln verschiedener Wildpflanzen. Wenn sie alt genug sind, graben sie sich in den Boden ein, verpuppen sich und überwintern dort. Der erwachsene Käfer schlüpft anschließend im nächsten Frühjahr und befällt wieder einen Laubbaum.

Silberner Grünrüssler auf Birkenlaub © Marcel Gluschak
Silberner Grünrüssler auf Birkenlaub © Marcel Gluschak

Wenn sich der Befall in Grenzen hält, kommt die Birke mit wenigen kahlen Zweigen gut zurecht. Im Frühsommer gelingt es ihr sogar noch, manche verlorenen Blätter ein zweites Mal nachwachsen zu lassen.

Silberner Grünrüssler auf einem Birkenblatt © Marcel Gluschak
Silberner Grünrüssler auf einem Birkenblatt © Marcel Gluschak

Mit sehr viel Glück können wir einen besonderen Nachtfalter auf der Birke entdecken, den Birkenspanner (Biston betularia). Er bildet bildet pro Jahr eine Generation, die von Mai bis August fliegt. Seine Flügelfärbung imitiert das Muster der Birkenrinde, wodurch er auch tagsüber auf dem Stamm kaum zu sehen ist. Interessanterweise gibt es auch eine dunkle Form dieses Schmetterlings.

Und auch die Raupen tarnen sich sehr effektiv – ihre langen und dünnen Körper sind hellgrün bis dunkelbraun gefärbt und sehen daher kleinen Zweigen sehr ähnlich. Sie finden sich neben der Hängebirke aber auch auf vielen weiteren Pflanzen, unter anderem an der Stieleiche, Schwarzpappel, Weide, Schwarzerle oder Schlehe. Birkenspanner-Raupen können ihre Färbung an den Untergrund anpassen und dann auch gezielt farblich passende Untergründe aufsuchen – allerdings ohne dabei ihre Augen zu nutzen! Wie sie das schaffen, ist bisher noch nicht abschließend erklärt.

Birkenspanner © Jerzy Strzelecki, Biston betularia(js)02 Lodz(Poland), CC BY 3.0
Birkenspanner © Jerzy Strzelecki, Biston betularia(js)02 Lodz(Poland), CC BY 3.0

Viele Vogelarten sind auf Birken angewiesen, manche tragen sie sogar in ihrem Namen. So dienen dem Birkenzeisig und dem Birkhuhn die Knospen und Samen der Birke als wichtige Winternahrung. Der Baum selbst ist Lebensraum für zahlreiche Pilze, Flechten und Moose sowie für Insekten und Säugetiere. Bei uns gibt es rund 500 pflanzenfressende Tierarten, die die Birke aufsuchen – darunter 106 Käfer-, 140 Groß- und 105 Kleinschmetterlingsarten. Und auch 118 Schmetterlingsraupenarten nutzen Hänge- und Moorbirke als Futterpflanze. Damit ist die Birke auf Platz drei der beliebtesten Schmetterlingsfutterpflanzen.

Admiral an Birkenblättern © Marcel Gluschak
Der Admiral an einem Zweig der Hängebirke © Marcel Gluschak

133 Arten sind sogar besonders auf die Birke spezialisiert. Hierzu gehören zum Beispiel die Birken-Blattroller, die den vorderen Teil der Blattspreite in einen kunstvolles, tütenförmiges „Päckchen“ umbauen und darin ihre Eier ablegen. Eine auffallende, spezialisierte Art ist die Große Birkenblattwespe. Die Birkenwanze kommt zwar auch an anderen Laubbäumen vor, ist aber auf Birken besonders häufig vertreten.

Heilende Pilze und rettende Rinde

Da das Holz der Birke sehr schnell wächst, enthalten die Zellen viel Luft – Pilze können sich hier besonders schnell vermehren und den Stamm großräumig verfaulen lassen. Ein Beispiel ist der Birkenporling (Fomitopsis betulina), ein Schwächeparasit, der ausschließlich Birken befällt und ihre Lebenserwartung von 120 Jahren deutlich verkürzen kann. Er verursacht die “Braunfäule”, die das Holz brüchig macht.

Birkenporling © Baumvisite (www.baumvisite.de)
Birkenporling © Baumvisite (www.baumvisite.de)

Im Vergleich mit anderen Baumarten, von denen manche über Tausend Jahre alt werden können, sind 120 Jahre ohnehin schon eine sehr kurze Zeitspanne. Doch das ist für die Birke keine Tragödie: Ihr Ziel, sich schnell auszubreiten, rasch geschlechtsreif zu werden und sich dann wieder zu vermehren, hat sie längst geschafft.

Als wir über die Birke im Frühling sprachen, begegnete uns auch “Ötzi”, dessen Gletschermumie in den Ötztaler Alpen gefunden wurde, zusammen mit Taschen aus Birkenrinde, in denen er Essen und Glut transportiert hatte. Und auch auch den Birkenporling schätze der “Mann aus dem Eis” offenbar, denn es wurden auch Reste von Fruchtkörpern dieses Pilzes bei ihm gefunden. Offenbar kannten schon die Menschen der Jungsteinzeit die antibiotische und entzündungshemmende Wirkung des Birkenporlings. Bis fast in die heutige Zeit hinein wurden die Pilze in dünne Scheiben geschnitten und als Wundauflage verwendet.

Ameise auf Birkenrinde © Marcel Gluschak
Eine kleine Ameise klettert an einem Birkenstamm empor. © Marcel Gluschak

Die Birkenrinde wiederum eignet sich nicht nur zum Einpacken von Nahrung, sondern sie hat noch eine andere sehr wertvolle Eigenschaft, die ebenso schon unseren steinzeitlichen Vorfahren bekannt war. Denn die Rinde der Birke kann einem das Leben retten – etwa wenn man sich in der Wildnis verlaufen hat und es bitterkalt ist. Wenn es dann auch noch regnet, hat man schlechte Karten. Doch die Birkenrinde ist aufgrund der in ihr enthaltenden ätherischen Öle sehr gut geeignet, um ein Feuer zu machen. Sie lässt sich sogar im nassen Zustand entzünden!

Und es ist naheliegend: Das Holz dieses Lichtbaums ist gut brennbar, sogar ungelagert und im frischen Zustand. Der hohe Anteil ätherischer Öle sorgt dabei nicht nur für eine gute Entzündbarkeit, sondern auch für einen angenehmen Duft im Kamin. Birkenholz ergibt ein sehr helles, gemütliches Feuer.

Das passt auch gut zum Herbst, wenn es wieder kälter wird und wir die Birke erneut besuchen. Dann schauen wir uns ihr Holz und die Wurzeln der Birke genauer an. Und wir wagen einen Ausflug in den Norden, in die borealen Nadelmischwälder Sibiriens und Skandinaviens, wo die Hängebirke ihr Hauptverbreitungsgebiet hat.

Ich arbeite beim WWF Deutschland und bin dort zuständig für das Jugendprogramm. Nebenberuflich absolviere ich eine Ausbildung zum Naturerlebnispädagogen bei CreNatur sowie zum Wildnispädagogen bei der Wildnisschule Hoher Fläming. Ich liebe es, in der Natur unterwegs zu sein, ob zu Fuß, im Kanu oder mit dem Fahrrad. Es vergehen schnell Stunden, in denen ich mich ausdauernd in der Naturfotografie ausprobiere oder einfach den Moment genieße, beobachtender Teil der Natur zu sein. Achtsamkeit, Respekt für die Natur und Begeisterung für ihre Schönheit liegen mir sehr am Herzen.

2 Kommentare

  • Christiane Eichberger-Cammarata

    Das sind wieder herrliche Fotos und viele wissenswerte Infos über die wunderschönen Birken in diesem Beitrag! Erstaunlich finde ich (eigentlich alles 😅), dass sie einen Klarlack auf ihren Blättern erzeugen können, dass die dünnhäutigen kleinen Nussfrüchte schon nach 3 Wochen keimen! (Ob sie wohl auch in einem Topf mit Erde keimen? Das würde ich zu gerne versuchen). Und dass sie schon im Spätsommer neue Blütenknospen bilden, um für das kommende Frühjahr vorzusorgen! Die Birken leben ja wirklich “ein Leben auf der Überholspur.” Schade nur, dass der Birkensporling-Pilz ihnen schadet, obwohl er uns Menschen als Antibiotikum nutzt. Sind die pflanzlichen Antibiotika eigentlich besser als die synthetisch erzeugten, wenn es um Resistenzbildung bei Krankheitserregern nach mehrmaligem Gebrauch geht? Das könnte ich mir vorstellen, weil die Natur “immer an alles denkt.” Wunderschön sind die Tiere, die sich so an die Birke anpassen und sich perfekt auf ihr tarnen können. Ein wichtiger Tipp ist auch der mit der entzündbaren, nassen Rinde – im Notfall – wenn man dann ein Feuerzeug anstatt nasse Zündhölzer dabeihat. 😏
    Ich bin sehr gespannt auf die Herbst- und Winterbeiträge über die Birken und hoffe, dass sie dem Klimawandel tapfer trotzen und den vielen Tierarten weiterhin Schutz und Nahrung bieten können. 💚

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