Die Birke im Lauf der Jahreszeiten: Herbst
Die Tage werden wieder kürzer. Nach der Blüte im Frühling und der Fruchtreife im Sommer kommt die Birke im Herbst langsam zur Ruhe. Noch vor kurzem hat sie das intensive Sonnenlicht genutzt, um besonders schnell zu wachsen. Doch nun macht sie sich daran, das wertvolle Blattgrün unter ihrer Rinde zu verstecken und das Laub abzuwerfen. So sehr sie das Licht liebt, muss sich die Birke nun auf die dunkle Hälfte des Jahres einstellen.
Goldgelbe Birke mit zarter Herzwurzel
Eigentlich ist die malerische Birke mit ihrem weißen Stamm und ihrer lichten Krone ein Symbolbaum des Frühlings. Aber auch im Herbst, wenn es kälter wird, bringt sie etwas Besonderes in unsere Landschaft: mit goldgelben Kronen schenkt sie uns warme Farben. Wenn die Bäume ihre Farben ändern, sieht dies spielerisch aus, doch tatsächlich ist damit ein enormer Kraftakt verbunden, denn die Bäume müssen aus jedem einzelnen Blatt mühsam das Chlorophyll zurückholen. Aus dem Laub der Birke hat man übrigens lange Zeit eine Farbe gewonnen: das sogenannte Schüttgelb. Es war bei Malern im Mittelalter sehr beliebt.
Außerdem bildet die Birke im Herbst bereits die männlichen Blüten. Sie werden überwintern. Die weiblichen Blüten hingegen erwachen erst ganz frisch an den Enden neuer beblätterter Jungtriebe.
Wenn die Birke schließlich alle ihre Blätter abgeworfen hat, kann sie keine Photosynthese mehr betreiben. Trotzdem kann sie weiter wachsen, dank ihrer Reserven. Während Bäume in den sonnenreichen Monaten am Stamm und in der Krone wachsen, vergrößern sie im Winter vor allem ihren unterirdischen Wurzelbereich. Die Hängebirke bildet ein nicht sehr tiefgehendes, dafür aber dichtes Herzwurzelsystem. Ihre Wurzeln verjüngen sich schnell und gehen in fadendünne Feinwurzeln über. Was für ihre Wuchsform und ihre Krone gilt, trifft also auch für ihr Wurzelwerk zu: Alles an diesem Baum ist zart und filigran.
Die Birke braucht viel Wasser und viel Licht, ist aber beim Boden sehr anspruchslos – sie keimt auf kargen Schotterflächen, Sandböden, ehemaligen Waldbrandflächen, im rauen Gebirge und im nassen Sumpf. Sogar in alten Dachrinnen können wir verirrte Birkenbäumchen keimen und wachsen sehen.
Das Holz der Birke – von der Wäscheklammer bis zum edlen Klang
Das Holz der Birke ist gleichmäßig gelblich weiß, rötlich weiß oder hellbraun gefärbt und besitzt einen seidigen Glanz. Typisch sind die fleckenartigen Hell-Dunkel-Lichteffekte, die durch Unregelmäßigkeiten im Faserverlauf entstehen. Im Gesamtcharakter ist Birkenholz ein helles, schlichtes und je nach Musterung sehr dekoratives Nutzholz.
Wegen seiner geringen Tragkraft und Beständigkeit eignet es sich jedoch schlecht als Bauholz. Es ist leicht und feinmaserig und lässt sich unter anderem gut zur Herstellung von Holzschuhen und Wäscheklammern nutzen. Birkenholz kann man gut schnitzen und drechseln, aber schwer spalten.
Auch beim Instrumentenbau spielt die Birke eine wichtige Rolle. So werden unter anderem die Hammerstiele in Klavieren aus Birkenholz gemacht. Bei jedem der 88 Hammerstiele wird darauf geachtet, ob das Holzstück beim Aufprall auf ein Metallstück eher hell oder dunkel klingt. Je nachdem wird der Hammerstiel dann bei den höheren oder tieferen Tönen eingebaut.
Die Birke ist ein typischer Baum des Nordens
Die Birke ist in fast ganz Europa verbreitet – vor allem aber ist sie in Skandinavien zu Hause. Hitze verträgt sie wesentlich schlechter als extrem tiefe Temperaturen. Bis zu -36 Grad kann eine Birke verkraften. Sogar ihre Blätter bleiben noch bei -6 Grad vital! Und im Norden werden die Birken auch am ältesten. Dort können sie bis zu 180 Jahre schaffen. Die finnischen Birken haben eine viel geradere Wuchsform. Hier wird das Holz traditionell gerne für die Herstellung von Langlaufskiern und Schlittenkufen verwendet.
Eine besondere Birkenart im borealen Norden Europas bildet die Fjell-Birke. Typisch sind die meist krummen, gewundenen Stämme und der oft mehrstämmige Wuchs. Sie bilden in Skandinavien die natürliche Baumgrenze, die im zentralen Norwegen auf Höhenlagen von etwa 1.200 Meter, in Küstennähe bei etwa 600 Meter liegt. Fjellbirkenwälder sind reich an Flechten und somit wichtige Weidegründe für Rentiere. Auf Island sind die Fjellbirken die einzige Baumart, die geschlossene Wälder bildet.
Trapper, Jäger und Fallensteller in den Birkenwäldern Kanadas und Sibiriens schätzten die wundheilende Kraft der Birkenrinde. Sie kochten sie aus, um das harzige Betulin herauszulösen. Betulin verleiht der Rinde ihre typisch weiße Farbe und schützt sie vor Umwelteinflüssen. Wenn man über die Rinde reibt, bleibt Betulin als weißer Überzug auf der Haut haften. Entsprechend aufbereitet hilft es bei trockener, rissiger Haut und chronischen Hautentzündungen wie Neurodermitis.
Aus der Rinde lässt sich durch Destillation außerdem auch Birkenpech herstellen. Unsere Vorfahren nutzten ihn als Klebstoff, zum Beispiel für Pfeilspitzen. Bereits die Neandertaler verwendeten ihn für ihre Werkzeuge und Waffen. So wurden in Nordrhein-Westfalen Reste von Birkenpech bei 120.000 Jahre alten Feuersteinklingen nachgewiesen.
Die Birke begleitet uns Menschen also schon seit vielen Jahrtausenden. Im Winter werden wir ein letztes Mal die Birke besuchen. Dann werden wir die Mythen und Legenden kennenlernen, die sich um diesen besonderen Baum drehen.
2 Kommentare
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Christiane Eichberger-Cammarata
Ja, die Birken begeistern im Herbst mit ihrer goldgelben Farbenpracht! 😃 Dass daraus schon im Mittelalter Farben für die Malerei gewonnen wurden, wusste ich nicht. Aber hier lerne ich ohnehin wieder viel, mehr als im Biologieunterricht jemals… 😄 Was die Birke alles schafft auf kargen Böden und an unwirtlichsten Stellen, ist bewundernswert! Ich würde mich sehr freuen, wenn mal ein Birkenbäumchen auf meinem Balkon keimen und wachsen würde.😊 Dass ihr wertvolles Holz im Instrumentenbau Verwendung findet, leuchtet mir ein. Die Moorbirken auf dem herrlichen Foto (alle Fotos sind wieder toll!) sehen besonders gesund aus. Ich wünschte allen Bäumen einen so nährstoffreichen und geschützten Lebenstaum.💚 Hoffentlich werden endlich noch viel mehr zuvor trockengelegte Gebiete renaturiert. Das ist auch für die Fauna immens wichtig. Es gab eine Fernseh-Doku dazu…
Sehr interessant sind auch die heilenden Kräfte der Birkenrinde. Bekommen die neu gepflanzten, jungen Stadtbäume zu ihrem Schutz etwa auch einen Anstrich mit Betulin, aus Birkenrinde gewonnen? Sie haben zumeist so einen weißen…
Die Neandertaler waren, wie man an der Gewinnung und Nutzung von Birkenpech ersehen kann, auch schon aufmerksame Naturbeobachter und intelligente, findige Tüftler. Ich freue mich, dass man sie zunehmend mit Respekt betrachtet und sie nicht mehr so unterschätzt. Wie werden wohl zukünftige Generationen über unsere geistigen Kapazitäten und dementsprechende Umsetztungen / Handlungen urteilen? 😏
Vielen Dank für diesen spannenden Herbst💛Bericht, bin schon gespannt zu erfahren, was die Birke im Winter tut. Bestimmt wird sie dann besonders zeigen, welcher Kampfgeist in ihr steckt. ✌