Winter

Tierspuren im Schnee

Tierspuren auf gefrorenem See © Marcel Gluschak
Eine dünne Schneeschicht auf einem zugefrorenen See offenbart zahlreiche tierische Abkürzungen. © Marcel Gluschak

Im Winter ist es besonders ruhig in Wald und Flur. Manche Tiere haben sich komplett zurückgezogen, wie zum Beispiel die Mäuse, Feldhamster und Igel. Sie verbringen die kalten Monate im Winterschlaf. Andere Tiere, wie etwa die Rehe und Hirsche sowie unsere dagebliebenen Vögel, haben auf Energiesparmodus umgeschaltet. Sie meiden Wege, soweit es geht. Ihre Fährten führen ohne große Umwege vom Unterschlupf zur Nahrungsquelle und zurück. Ihre seltenen Streifzüge werden jedoch umso sichtbarer, wenn Schnee gefallen ist.

Frischer Schnee: Wie eine Buchseite, die neu beschrieben werden kann.

Vor allem dann, wenn sich der Winter dem Ende neigt, haben wir gute Chancen, Tierspuren im Schnee zu finden. All denen, die den Winter im Winterschlaf oder in einer Winterruhe verbracht haben, gehen allmählich die Reserven aus. Sie müssen sich notgedrungen auf Futtersuche begeben. Dabei können die Spuren so manches Geheimnis aus dem Leben der Tiere enthüllen.

Der Fuchs beispielsweise läuft an Hecken entlang, weil dort weniger Schnee liegt. Hier hat er die beste Chance, Mäuse zu finden. Rehe wiederum laufen dorthin, wo sie weiche Knospen finden. Manchmal scharren sie auch auf einer Wiese den Schnee weg, um an zarte Kräuter und Moose zu kommen.

Rehspur im Schnee © Marcel Gluschak
Rehspur auf dünner Schneedecke – in der Mitte ist der typische Steg zu erkennen. © Marcel Gluschak

Das Trittsiegel eines Rehs ist 4 bis 5 cm lang und 3 cm breit. Das Reh (Capreolus capreolus) ist die kleinste der ursprünglich in Europa vorkommenden Hirscharten. Wie zum Beispiel auch der Rothirsch gehört es somit zu den Paarhufern. Je schneller ein Reh unterwegs ist, desto stärker sind die beiden Klauen – auch “Schalen” genannt – gespreizt. In dem hier gezeigten Beispiel war es aber offenbar ganz gemächlich unterwegs.

Die ansonsten sehr wählerischen Rehe müssen sich im Winter mit den Grünpflanzen begnügen, die sie finden können. Hinzu kommen Heidekraut, Blaubeeren und Knospen sowie Zweige von Büschen und Bäumen, besonders Hasel, Eiche, Pappel und Fichte. Dementsprechend sehen ihre Hinterlassenschaften im Winter dunkler aus als im Sommer. Unweit der Spur, an einer schneefreien Stelle, fand ich schließlich auch Rehlosung.

Rehlosung © Marcel Gluschak
Die Exkremente von Rehen sind zylindrisch geformt, an einem Ende leicht spitz, am anderen rundlich. © Marcel Gluschak

Vogelspuren im Schnee

Die Amsel (Turdus merula) ist ein Vielläufer. Charakteristisch ist ihr Verhalten bei der Nahrungssuche am Boden. Häufig hüpft die Amsel für eine kurze Strecke und verharrt dann scheinbar regungslos für einen Moment. Dabei hält sie den Kopf schief, um eine bestimmte Stelle zu fixieren und dann blitzschnell mit dem Schnabel zuzustoßen. Das Hüpfen zeigt sich mit entsprechenden Spuren im Schnee, bei denen die beiden Füße nebeneinander erscheinen. Bei Federwild nennt man die Spur übrigens Geläuf.

Amselspuren im Schnee © NaturREIN / Carolin-Schupp
Diese Amselspuren zeigen das typische Hüpfmuster sowie den Abdruck der Handschwingen (links unten). © NaturREIN / Carolin-Schupp

Typisch ist auch, dass Amseln dürres Laub mit hastigen Pickbewegungen erfassen, umdrehen und beiseite werfen. Amseln sind auch in der Lage, recht weit nach oben zu springen. So gelangen sie beispielsweise an Beeren, die an Sträuchern hängen. Auch nach dem Flug springen sie in der Baumkrone von Ast zu Ast, um zum Schlafplatz zu gelangen.

Auch die Elster (Pica pica) bewegt sich auf dem Boden meist hüpfend vorwärts. Sie ist aber auch in der Lage, zu gehen. Die Abdrücke einer Elster erkennt man daran, dass die Zehen leicht asymmetrisch sind. Außerdem sieht man meist die Schleifspuren der langen Schwanzfedern.

Elsterspur im Schnee © Marcel Gluschak
Die Schleifspuren stammen teilweise von den Schwanzfedern, die Elster hat aber auch die Zehen nicht genug angehoben. © Marcel Gluschak

Indirekte Begegnung mit einer Wildkatze

Die Wildkatze (Felis silvestris) ist extrem scheu und zudem nachtaktiv. Ihre Spuren sind daher meist das einzige, was wir von ihr zu Gesicht bekommen. Sie lebt in Wald- und Berggebieten, wo sie in Höhlen zwischen Felsen und Steinen, unter Wurzeln, in hohlen Bäumen oder im dichten Unterholz Schutz finden kann. Ihre Trittsiegel sind kreisrund, etwa 4 bis 6 cm lang und 3,5 bis 5 cm breit.

Die Wildkatze hat fünf Zehen an den Vorderpfoten und vier Zehen an den Hinterpfoten. Die Abdrücke von Vorder- und Hinterpfote sind jedoch fast gleich, da der innere Zeh der Vorderpfote so hoch sitzt, dass er sich nicht abzeichnet. Ein weiteres Merkmal ist, dass die Abdrücke keine Krallen zeigen, da Katzen diese beim Laufen einziehen.

Hundesspur im Schnee © NaturREIN / Carolin-Schupp
Hundespur, die sich eindeutig durch die abgezeichneten Krallen von Katzenspuren unterscheidet. © NaturREIN / Carolin-Schupp
Katzenspur im Schnee © NaturREIN / Carolin-Schupp
Pfotenabdrücke einer Hauskatze © NaturREIN / Carolin-Schupp

Wenn man eine Katzenspur findet, stammt sie meistens von einer Hauskatze. Ich glaube jedoch, glücklicherweise den Abdruck einer Wildkatze gefunden zu haben, als ich fernab von Siedlungen in einem Naturschutzgebiet im Wispertaunus unterwegs war. Hier in den alten Buchen- und Eichenwäldern leben viele Wildkatzen – neben weiteren seltenen Arten wie Schwarzstorch, Bechsteinfledermaus, Mittelspecht und Feuersalamander. Große Teile des Waldes werden nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt. Sie dürfen sich nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln und zu Naturwäldern werden.

Spur einer Wildkatze im Schnee © Marcel Gluschak
Vermutlich der Abdruck einer Wildkatze © Marcel Gluschak

Warum Eichhörnchen Mardern aus dem Weg gehen

Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) haben an vielen Stellen im Wald Nahrungsspeicher angelegt. Während der Wintermonate suchen sie beständig nach ihren Vorräten. Ihre Spuren im Neuschnee verraten, wo sie die Leckereien suchen und zu welchem Baum sie zurückeilen. Auf dem Boden bewegen sie sich in Sprüngen. Genau wie die Kaninchen setzen sie zunächst die Vorderpfoten auf, dann die Hinterpfoten. Die länglichen Hinterpfoten treten daher immer knapp vor den runderen Vorderpfoten auf. Dabei halten Eichhörnchen immer ihre buschigen Schwänze hoch, so dass sich bei ihren Spuren niemals eine Schwanzlinie findet.

Eichhörnchenspur auf verschneitem Baumstamm © Marcel Gluschak
Eichhörnchenspur auf einem Baumstamm: Vor den Trittsiegeln der Vorderpfoten zeichnen sich breiter die Abdrücke der Hinterpfoten ab. © Marcel Gluschak

Auf dem gleichen Baumstamm fand ich in entgegengesetzter Richtung die Spuren eines Tieres, das einem Eichhörnchen sehr gefährlich werden kann. Ob sich die beiden hier sogar begegnet sind, blieb ein Geheimnis. Die Spuren konnten auch zeitlich versetzt entstanden sein. Es waren Trittsiegel, die paarweise nebeneinander auftraten, den gesamten Baumstamm entlang im Abstand von 40 bis 60 cm. Solche Paarsprünge deuten auf einen Marder hin. Wollen die Tiere schnell sein, springen sie – ähnlich wie Feldhasen – und beide Pfoten kommen nebeneinander auf. Marder können Eichhörnchen auf dem Weg in die Baumwipfel verfolgen, und manchmal finden sie auch deren Winterquartier, das sie dann ausräumen.

Die Spuren von Baummarder (Martes martes) und Steinmarder (Martes foina) ähneln sich sehr. Bei beiden ist der Abdruck der Vorderpfote 3,5 bis 5 cm lang und 3,5 cm breit, der der Hinterpfote 3 bis 3,5 cm und 2,5 bis 3 cm breit. Da der Baummarder mehr Haare an den Pfoten hat, können die Abdrücke größer sein und im Schnee mehr verwaschen erscheinen.

Marderspur auf verschneitem Baumstamm © Marcel Gluschak
Es ist fast unmöglich, den Unterschied zwischen der Spur eines Baummarders und der eines Steinmarders zu erkennen. Der Abdruck eines Baummarders ist in der Regel aber etwas größer und oft verwischter. © Marcel Gluschak

Bei Paarsprüngen fallen die Hinterpfoten meist in die Spuren der zuvor aufgekommenen Vorderpfoten, sodass kein deutlicher Abdruck erkennbar ist. Nur bei einer langsamen Fortbewegung sind die Pfotenabdrücke deutlich und versetzt zueinander zu erkennen. Dann kann man in den Spuren auch deutlich die Abdrücke der Krallen erkennen. Oft ist bei Stein- und Baummarder der Abdruck der inneren Zehe nicht sichtbar.

Winterliche Insektenspuren

Zu guter Letzt schauen wir uns noch zwei Tierspuren an, die zwar nicht zu den klassischen Pfoten- und Hufabdrücken gehören, aber nicht minder interessant sind. Auch Insekten hinterlassen spannende Zeichen am Waldboden. So findet man zum Beispiel Eicheln mit einem winzigen, exakt kreisrunden Loch. Dies ist das Werk des Eichelbohrers:

Vom Nussbohrer aufgebohrte Eichel © Marcel Gluschak
Eine vom Eichelbohrer aufgebohrte Eichel © Marcel Gluschak

Der Eichelbohrer (Curculio glandium) ist ein Käfer aus der Familie der Rüsselkäfer (Curculionidae). Die Käfer werden 4 bis 7,5 mm lang. Ihr Körper ist mit länglichen, gelbbraunen oder rotbraunen, anliegenden Schuppen bedeckt. Mit ihrem Rüssel fressen die Weibchen tiefe Löcher in unreife Eicheln, um dort ein oder zwei Eier hineinzulegen. Nach etwa zwei Wochen schlüpfen die 1 cm großen, gelblich weißen und am Kopf rotbraunen Larven. Sie machen sich sofort daran, sich etwa 25 cm tief in den Erdboden einzugraben, um dort zu überwintern, bevor sie sich im Frühjahr im Boden verpuppen.

Unweit davon entdecke ich im Eichenlaub ein kugeliges Gebilde – rund wie eine Murmel. Hier war die Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) zugange. Dieses Insekt erzeugt sogenannte Gallen an der Unterseite von Eichenblättern. Die Pflanze selbst lässt diese Hüllen wachsen und schafft damit ideale Brutstätten für den Wespennachwuchs. Zunächst sind die Kugeln grün, später gelb, teilweise mit roten Flecken.

Gallapfel der Eichengallwespe © Marcel Gluschak
Der Gallapfel einer Eichengallwespe © Marcel Gluschak

Jede Galle enthält eine Kammer, in der sich eine Larve entwickelt. Wenn die Blätter mitsamt der Gallen zu Boden gefallen sind, schlüpfen von November bis Februar daraus ausschließlich weibliche Wespen. Diese Weibchen legen dann unbefruchtete Eier an den Knospen der Eichen ab. An diesen bilden sich dann knospenförmige, etwa 3 mm große Gallen, aus denen im Frühjahr sowohl Weibchen als auch Männchen schlüpfen. Die befruchteten Weibchen werden ihre Eier auf die Unterseite von Eichenblättern legen, aus denen wieder die oben beschriebenen Blattgallen entstehen. Somit entwickeln sich pro Jahr zwei unterschiedliche Generationen.

Tierspuren lesen, ohne Tiere zu stören

Trotz winterlicher Ruhe: Der Waldboden steckt voller spannender Geschichten. Sowohl im modernden Laub als auch auf der weißen Schneedecke hinterlassen die Tiere allerlei Informationen, die uns einen Eindruck geben, was sich tatsächlich hier abspielt.

Doch wer sich im Winter auf Fährtensuche begibt, sollte Tieren keinesfalls nachstellen, auch wenn uns eine lange durchgängige Spur dazu verleiten mag. Gerade im Winter ist es besonders wichtig, dass wir die Tiere nicht erschrecken. Sobald sie vor uns fliehen, haben sie schlagartig einen erhöhten Herzschlag und verbrauchen dabei kostbare Reserven. Für Tiere, die im Energiesparmodus sind, kann so ein Stressmoment lebensgefährlich werden.

Ich arbeite beim WWF Deutschland und bin dort zuständig für das Jugendprogramm. Nebenberuflich absolviere ich eine Ausbildung zum Naturerlebnispädagogen bei CreNatur sowie zum Wildnispädagogen bei der Wildnisschule Hoher Fläming. Ich liebe es, in der Natur unterwegs zu sein, ob zu Fuß, im Kanu oder mit dem Fahrrad. Es vergehen schnell Stunden, in denen ich mich ausdauernd in der Naturfotografie ausprobiere oder einfach den Moment genieße, beobachtender Teil der Natur zu sein. Achtsamkeit, Respekt für die Natur und Begeisterung für ihre Schönheit liegen mir sehr am Herzen.

1 Kommentar

  • Cristina Camarata

    Ein sehr schöner und vielseitiger Winterspaziergang, der mir gezeigt hat, wie viel es trotz Winterruhe zu entdecken gibt, Wissenswertes und Spannendes über einheimische Tierarten, die ich noch nicht gesehen habe, Rätsel-Lösungen, was es mit den Löchern in Eicheln und den Kügelchen im Laub auf sich hat… Die Schilderung des Naturschutzgebietes im Wispertaunus macht mich sehr neugierig, und ich hoffe, dieses Gebiet bald kennenlernen zu dürfen. Wie ich erfahren habe, gibt es dort bald geführte Wanderungen! 😃 Unter:
    WWF – Taunus-Tour nachzulesen!

    Eine Spurenlese im Schnee wird sicher auch Kindern sehr gut gefallen.
    Notwendig ist leider der wichtige Appell an Freizeitbegeisterte, die Tiere nicht zu verfolgen / zu erschrecken, so lange, bis alle Menschen wieder eine echte Nähe zur Natur entwickelt und gelernt haben, die Bedürfnisse von Pflanzen und Tieren zu respektieren.

    Die inspirierende Überschrift:
    >> Frischer Schnee: wie eine Buchseite, die neu beschrieben werden kann <<
    hat mir auch sehr gut gefallen. Danke für ein erneutes Lesevergnügen! 💚
    Ich hoffe sehr, dass all die schönen Beiträge in diesem Blog bald auch als Buch erscheinen!🙏📚🍀

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